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Als mit dem Ende der Heian-Zeit (794-1185) eine Periode des Blutvergiessens und nahezu ununterbrochener Kriege anbrach, begann der Aufstieg der Samurais. Dieser hierarchisch gestufte Kriegeradel lief dem früheren Hofadel zunehmend den Rang ab. Die Samurai waren durch einen unbeugsamen, ethischen Ehrenkodex (Bushido = "Weg des Kriegers") auf Gedeih und Verderb an ihre Herren gebunden. Sie entwickelten streng ritualisierte Kriegskünste (Bu-Jutsu), mit zahlreichen bewaffneten oder waffenlosen und oft geheimen Kampftechniken. Ken-Jutsu (Schwertkunst), Kyu-Jutsu (Bogenschiessen), Kumi-Uchi (Nahkampf) usw. gelangten zu grosser Bedeutung.

 

 

Verschiedene Umstände führten nun zum Aufstieg und zur Entwicklung von Ju-Jitsu:

  • Offenbar hatte es seinen Ursprung im Kumi-Uchi auf dem Schlachtfeld, wobei die dort entwickelten Techniken zu einem System zusammengefasst wurden.
  • Es entstand eine spezielle Kampfart ohne Waffen, wenn Krieger und Samurai keine Schwerter zur Hand hatten, oder wenn sie ihre Gegner überwältigen wollten, ohne sie ernsthaft zu verletzen oder sie zu töten. Bestand diese Notwendigkeit, so kamen Stösse, Tritte, Würfe und Gelenkhebel zur Anwendung, die einstudiert und weiterentwickelt wurden.
  • Mehrere Jahrhunderte lang war es dem Volk streng untersagt, irgendwelche Waffen zu tragen. Um sich aber gegebenenfalls doch verteidigen zu können, lernte auch das "gemeine Volk", sich mit blossen Händen zu wehren.

 

Ju-Jitsu war am Anfang unter gut einem Dutzend verschiedener Namen bekannt, wie z.B. "Yawara", "Tai-Jutsu", "Wa-Jutsu", "Torite", "Kogusoku", "Kempo", "Yoroi Kumi-uchi", usw. Es gab verschiedene Schulen (Ryu), die sich durch ihre besonderen Eigenheiten voneinander unterschieden. Allgemein darf aber Ju-Jitsu als eine "Kunst von Angriff und Verteidigung ohne – oder gelegentlich mit Waffen – gegen Gegner mit oder ohne Waffen" bezeichnet werden.

 

Als eine der ältesten Ju-Jitsu-Schulen überhaupt wird die Take-no-uchi Ryu genannt, welche um 1532 in einem kleinen Bergdorf in der Provinz Okayama gegründet wurde. Es liegt in der Natur der Sache, dass die verschiedenen Kriegskünste nach dem Namen der verwendeten Waffen oder den Methoden, wie sie gebraucht wurden, ihre Bezeichnung erhielten. Die einzige Ausnahme bildet Ju-Jitsu, dessen Name vom Prinzip seiner Technik herrührt und ja nicht eine eigentliche Technik selbst bezeichnet. Das heisst, die Ju-Jitsu-Schulen wählten das Wort "Ju" (sanft, geschmeidig) für die Bezeichnung ihrer Kunst, weil sie damit betonen wollten, dass alle gute Technik auf dem Prinzip "Das Sanfte beherrscht das Starke" basiert.

 

"Ju" kann heissen: sanft, weich, mild, geschmeidig; es kann aber auch als fügsam, unterwürfig oder harmonisch ausgelegt werden. Ju-Jitsu meint demnach eine Gruppe von Kampftechniken, welche zusammengefasst als "sanfte Kunst" bezeichnet werden kann, da "Ju" das Gegenteil von "hart" (Kampfkunst mit Waffen) bedeutet. Den Höhepunkt erlebte Ju-Jitsu gegen Ende des 18. Jahrhunderts, als es während der Tokugawa-Zeit mehrere hundert verschiedene Schulen (oder Systeme) gab und viele ihrer Lehrer berühmt wurden. Die Lehren und Geheimnisse dieser Meister kreisten alle um das Prinzip von "Nachgeben ist Stärke" und trachteten nach dem hohen Ideal des Budo (oder Bushido), dem Weg des Kriegers.

 

Aus "50 Jahre Schweizerischer Judo- und Ju-Jitsu-Verband", Matthias Hunziker